Historie des Kleinen Tannenwaldes

In einem frühen Homburg – Führer von 1844 beschreibt der Autor den außergewöhnlichen Geschmack der Prinzessin Elizabeth von Großbritannien, Frau von Landgraf Joseph VI.

Als Floristin und Gärtnerin legte sie in Zusammenarbeit mit ihrer Schwiegermutter Caroline geschmackvoll angelegte schöne Laubengänge und Gartenhäuschen an. Hier war es Ihre Königliche Hoheit gewohnt, einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit zu verbringen.

Der immer stärker werdende Zustrom von Kurgästen sorgte in der Nach-Landgrafen-Zeit für die Erhaltung dieser anmutigen Kreation. Es kamen Kurfremde, wie man sie damals nannte, und genossen die idyllische Lage zu Spaziergängen oder Picknicks auf der Insel.

Einen heißen Herbsttag des Jahres 1867 beschrieb ein englischer Kurgast folgendermaßen:

Wir gingen durch den Schlossgarten zum Kleinen Tannenwald und frühstückten im Schatten eines großen Baumes in diesem hübschen Garten und wurden vom Gärtnerhausaus bedient. Es gab sehr guten Kaffee, Brot, Butter und Eier. Gegen 10 Uhr kamen unsere Freunde, Captain Mayendie und seine Frau, mit ihren Kindern. Die Damen setzten sich mit einer Handarbeit in den Schatten, während der Captain und ich zwischen den schönen Büschen spazierten und den Kindern halfen, die Fische im Teich mit Brot zu füttern. Wir blieben an diesem hübschen kühlen Ort bis beinahe Mittag, dann begannen wir den Heimweg und besuchten auf dem Wege die Wasserbäder der Bade- und Kaltwasser-Heilanstalt, um 1 Uhr waren wir zu Hause.

Der östlich des Platzenberges gelegene Garten wurde früher auch als „Platzenberger Wäldchen“ mit „Platzenberger Teichelchen“ bezeichnet. Er wurde wahrscheinlich im 17. Jahrhundert von Landgraf Friedrich II. als „Wildgarten“ angelegt. Diskrepanzen ergeben sich bei der genauen Bestimmung des Entstehungsjahres der Neuanlage. Während Jacobi 1772 angibt, meint Schäfer (1864), es sei 1784 gewesen. Mit Sicherheit läßt sich sagen, daß die Neuanlage unter Landgraf Friedrich V. Ludwig erfolgte. Sie erfreute sich der besonderen Liebe des Landgrafen, der den Garten für seine Frau Caroline ab 1772 neu anlegen, ausbauen und ihn zu einem Schmuckstück unter seinen Gartenanlagen werden ließ, das in der zeitgenössischen Literatur vielfach gepriesen wurde. Der Entwurf zur Gestaltung des Gartens stammte von dem französischen Feldmesser Cöntgen.

Weder die Villa Borghese noch Pamphili Doria, noch Neapel können diesem Garten gleichgestellt werden, wo Natur und Kunst gewetteifert haben, das Vollkommene hervorzubringen, obwohl er keine marmornen Statuen noch vergoldete Heilige hat“, schildern Reisebeschreibungen des 19. Jahrhunderts. Besonders in dieser Gartenanlage zeigt sich die dem Rokoko eigene Verknüpfung der
geometrischen Elemente mit denen englischer Naturgestaltung, wie ein Kupferstich von 1784 bestens überliefert.

Von der früheren Akazienallee, heutigen Kreuzallee, kommend, betritt man den Garten über eine sehr breite Allee, die rechts und links von in Kübeln aufgestellten Zitronenhochstämmen gesäumt wird. Die Darstellung der Gehölze im Verhältnis zu anderen auf dem Bild dargestellten Pflanzen legt die Vermutung nahe, dass es sich um in Kübel gepflanzte Hochstämme gehandelt haben mag. Die jeweils in 4 Vierecke gegliederten Parterres erstrecken sich rechts und links der Allee. Die einzelnen Compartiments sind gleichmäßig mit Rasen bedeckt, wovon sich die Platebandes de fleurs“ als Mittelpunkt und äußere Umrandung deutlich abheben. Nördlich grenzen Laubengänge die Parterrezone gegen den Weg ab. Östlich erstreckt sich die Boskettzone, ein von Laub- und Nadelbäumen gebildetes Wäldchen, welches an dieser Stelle von 1,50 m schmalen Schlängelwegen durchzogen wird. Diese Pfade umgeben ein Bauwerk, welches möglicherweise eine Wasserkaskade auf einem künstlich angelegten Hügel darstellen könnte. In der Literatur hat sie keine Erwähnung gefunden, obwohl es sich um ein recht imposantes Bauwerk gehandelt hätte. Daher ist anzunehmen, dass dieser Gestaltungsvorschlag nicht realisiert wurde.

Die Parterrezone wird südlich von einer Mauer begrenzt. Auf einem Damm zwischen Parterre und Teich verläuft eine 8,50 m breite Kastanienallee, zu der man über eine von der Hauptallee ausgehenden Treppe gelangt. Zwischen dem im Osten gelegenen Boskett mit seinen geschwungenen Wegen und dem Teich führt von der Kastanienallee ausgehend ein gleich breiter Weg mit einreihig gepflanzten Bäumen am Teichufer entlang. Am Ende weiteren Verlauf bis zum Ablauf in der Mitte des Teichs durch die Boskettzone schlängelte. Dem Bachlauf folgt ein schmaler Pfad.

Das Südufer des Sees ist mit Sträuchern und Bäumen bewachsen. Anziehendster Blickpunkt ist hier die im Teich liegende kleine Insel, auf der sich die „offene Colonade“ erhebt. Umpflanzt ist sie mit duftenden Fliedersträuchern und Kletterrosen. Über eine chinesische Holzbrücke ist sie an das Land angebunden. Auf der Insel ragt eindrucksvoll der aus Holzwerk erbaute Gartentempel in die Höhe. Feine Holzarbeiten finden sich an den Säulenkapitellen und dem Architrav. Der in Deutschland kaum noch einmal gesehene Tempel ist eine sechseckige offene Säulenhalle mit 12 Säulen, wo auch die Bezeichnung „offene Colonade“ herrührt. Südlich des Teichs teilt in der ersten Hälfte eine gerade Wegeachse das Boskett. Viele hier abbiegende geschwungene und geschlängelte Pfade führen an ihren Endpunkten zu Kleinarchitekturen.

Vertiefungen mit Hermen schmückten die „Cabinets“, andere Wege erscheinen als ziellose Irrwege. An Kreuzungspunkten steht unvermittelt eine große Tanne mitten auf der Kreuzung. Andere Schlängelpfade führen zu Grotten, kleinen Springbrunnen und rechts des Teichs zog sich ein schattiger Laubengang zu einem Teehäuschen mit davorliegendem Springbrunnen und Wasserbassin.

Der südlichste Bereich ist ein von hohen Buchenhecken umschlossener separater Gartenbereich, der die „Chinoiserie“ verbirgt. Er war das Prunkstück des Gartens, das sich deutlich aus der Reihe der anderen Bauwerke heraushebt. Vom Teich kommend, gelangt man nur über einen schmalen Pfad in diesen versteckten Gartenteil. Von der Seite des ehemaligen Feldwegs her besteht ein etwas breiterer Zugang, der direkt auf das Gebäude zuführt.

Diese Chinoiserie muss ein wesentlich größeres Gebäude als das Teehäuschen gewesen sein, da die Versteigerungsliste der Fürstin von Reuß, der einzigen Überlebenden aus dem Hause Hessen-Homburg nach 1866, ein beträchtliches Inventar aus dieser Chinoiserie aufweist, das wohl kaum in einem kleinen Anwesen Platz gehabt hätte. Ganz in der Nähe lag das Teehäuschen mit einem Springbrunnen davor.

Hinter der Chinoiserie erstreckt sich ein kerzengerader Weg, der sich zweimal platzähnlich erweitert. Am Ende der Achse liegt ein kleiner Platz, in dessen Mitte eine Herme (Steinskulptur) steht. Der Garten lebt immer wieder von Spannungs- und Überraschungsmomenten und weist die dem Rokoko eigene Dynamik und Verspieltheit auf. Hohe Hainbuchenhecken umgeben die gesamte Gartenanlage.

An der Westseite liegen der Wasserzulauf und die Wassertechnik für den Teich und den im Boskett gelegenen Springbrunnen. Der Rücklauf in den Teich erfolgt in einem offenen Wassergraben.  Das schon 1806, also 20 bis 30 Jahre nach Neuanlage des Kleinen Tannenwalds entstandene Aquarell von G. M. Kraus zeigt uns den Teich mit seinen weit ausladenden Ufern, die an manchen Stellen bis an das Wasser zugänglichwaren. Im Teich ist ein Ruderboot abgebildet, von dem aus eventuell auch gefischt wurde, da es sich um einen sehr fischreichen Teich gehandelt haben soll.

Die üppige, sich verschwendende Vegetation vermittelt den Eindruck harmonischer Abgeschiedenheit in einer anderen Welt. Diese Gefühle der feierlichen Ruhe und Stille kommen in vorliegenden Abbildungen und Beschreibungen immer wieder zum Ausdruck. Die Gartenanlage ist charakteristisch für die Zeitströmung der „Empfindsamkeit“.

Unter Landgräfin Elisabeth, die den Garten 1822 nach dem Tode ihrer Schwiegermutter Caroline erhielt, erfuhr dieser einige Veränderungen und 1830 durch Zukauf von Gelände eine Erweiterung. Die augenfälligste war die Einrichtung eines „Cottage“, einer Meierei nach englischem Vorbild. Dabei handelt es sich um einen Gebäudekomplex aus Wohnhaus, Ökonomiegebäude und Schweizer Haus. Diese im ausgehenden 18. Jahrhundert aus England kommende Gestaltung eines Landschaftsparks hielt eine „Schweizerei“ (Hornviehzucht) mit mehreren Kleewiesen als „aufmunterndes Beispiel und Muster guter Viehzucht und Stallfütterung“ für unentbehrlich. Die aus der Meierei kommenden Erträge gingen teils in die Hofküche, teils an die Armen und Waisen. In dem Schweizer Haus wurden Milchprodukte hergestellt und weiterverarbeitet. Das im Hintergrund sichtbare Haus ist das eigentliche Wohnhaus mit den Stallungen gewesen. Vor dem Schweizer Haus waren große Rasenflächen mit den für das 19. Jahrhundert typischen im Rasen liegenden Blumeninseln, Blumenbouquets“ genannt, angelegt.

Die Sicht auf das Schloss ist heute durch die Erschließung des Geländes als Baugebiet nicht mehr gegeben. Schatullenrechnungen der Landgräfin belegen, dass Elizabeth viel Geld für ihren „little wood“ ausgegeben hat. Die größten Beträge sind für Ausstattung, Unterhaltung und vor allem für ausländische Bäume, Pflanzen und Samen verwendet worden. So wurden 100 Pappeln, 150 weiße und blaue Flieder und 220 blühende Sträucher und Bäume in 26 verschiedenen Sorten aus Rumpenheim in den Kleinen Tannenwald geliefert.“ 1937 existierten noch die zur Zeit Elizabeths gepflanzten Rhododendronbüsche und ein Tulpenbaum. Die Fliederbüsche sind heute noch auf der Insel aufzufinden.

Bei Eintritt in den Garten von der Akazienallee erstreckt sich nun von Ost nach West ein Laubengang, der eine Parterrezone einrahmt Im Gegensatz zu den Schilderungen Hirschfelds, 1742-1792 und dem Plan von 1784 ist das Parterre nicht mehr quadratisch, sondern oval ausgeformt und in einzelne Segmente unterteilt Das Parterre wird südlich von nur einer Baumreihe gesäumt, so dass der Blick auf den Teich frei bleibt, im Osten der Teichanlage ist jetzt eine Baumschule verzeichnet.

Im Teich ist die Insel mit Kolonnade und Brücke zu sehen. Im südlichen Bereich befinden sich ein Brunnen, eine Brunnenstube, eine Eisgrube, eine Hütte, ein Rosentempel, ein Milchplatz, das Schweizer Haus und die Meierei. Die Chinoiserie ist nicht mehr dargestellt. Diese Bestandsaufnahme diente als Grundlage für eine Plandarstellung „Plan vom Kleinen Tannenwald bei Hornburg vor der Höhe, 1877“, die im Wesentlichen dieselben Elemente enthält. Lediglich die Darstellungsform ist differenzierter und deutlicher.  Statt der Einzelsegmente innerhalb eines großen Ovals ist die Parterrezone jetzt ein ovales Rasenparterre mit Gehölzinsel als Mittelpunkt.

Erweitert wurde der Plan um die Aussagen zur Wasserzufuhr zum Teich, zu den Baulichkeiten und zu den Brunnen. Hier sind detaillierte Aussagen getroffen und Höhepunkte eingemessen worden. Der Wasserzulauf erfolgte demnach zum einen über die von Oberstedten kommende Wasserleitung zum Schloss, die den Brunnen, Teich und Meierei versorgte, zum anderen über einen Zulauf aus dem mit Feldwiese bezeichneten Gebiet.

1866 wurde nach dem Tode Landgraf Ferdinands in der 100- Tage-Regierung von Hessen-Darmstadt der Kleine Tannenwald zum Ökonomiebetrieb des Hofgartens ausersehen, wobei die Pflege aller übrigen Gartenanlagen eingeschlossen sein sollten.

Die bald folgende preußische Regierung jedoch sah lediglich den Schlosspark und den Kleinen Tannenwald als Hofgartenrevier an. Da die Meierei nicht genug abwarf, erhielt der Pächter 1867 die Konzession, einen Cafebetrieb im Kleinen Tannenwald zu führen. Er durfte jedoch keine Fische im Teich fangen, das Schweizerhaus und den heute noch in Spuren erhaltenen Eiskeller nicht nutzen. Von 1829 liegt eine Abbildung dieses Eiskellers vor, der mit einem kleinen Dach und gewölbtem Eingang versehen war. Heute befindet sich an dieser Stelle immer noch ein tiefes Loch.

Der Pächter des Kleinen Tannenwaldes wurde 1869 zum Königlichen Obergärtner befördert und konnte sein Café hier lediglich 10 Jahre lang betreiben. Er wurde dann zum Hofgärtner ernannt und im Schloss untergebracht. Es muss sich bei ihm um einen Sohn des Hofgärtners Merle gehandelt haben. Nachdem schon 1875 immer wieder Ausbesserungsarbeiten an der Brücke zur Insel erwähnt werden, wurde dieselbe 1881 abgerissen und an ihrer Stelle ein Damm gebaut. Im Verzeichnis der Vorkriegsneubauwerke des zur Meierei Kleiner Tannenwald bei Homburg v.d.H. gehörigen Gebäude und Nebenanlagen“ von 1928 ist die Brücke zur Teichinsel jedoch wieder erwähnt. Sie scheint in den vergangenen 20 Jahren wieder aufgebaut worden zu sein.

Ein Brand zerstörte 1891 das Meiereigebäude im Kleinen Tannenwald. Davon betroffen waren das Wohnhaus und die Scheune. Nach einem Plan des Homburger Architekten Christian Holler wurden sie schon ein Jahr später (1892) mit vergrößertem Wohnbereich mit Gastwirtschaft, dem Viehstall und der Scheune neu errichtet und erfreuten sich großer Beliebtheit.

Laut Vertrag vom 8.11.1932 (Grundbuchamt Bad Homburg) fand ein Tauschvertrag zwischen Frau Klara Plate geb. Altenheim und „Preußischer Staat Schlösserverwaltung“ statt. In diesem wurde das Gelände am Meiereiberg in Bad Homburg gegen das Gelände Mariannenweg getauscht. Damit wollte die Schlösserverwaltung die am Meiereiberg gelegene Lederfabrik Hausmann, die im Eigentum von Frau Plate war, aus dem Schlosspark entfernen. Man bot ihr das Gelände des Kleinen Tannenwaldes als gleichwertiges Tauschobjekt an, wobei zum Teil auch das Gebiet der heutigen Kleingartenanlage mit dazu gehörte. Von 1932 bis 1941 betrieb die neue Eigentümerin in dem ehemaligen Meierei-Gebäude ein Café- Restaurant, das sich zum attraktiven Ausflugsziel entwickelte.Frau Plate verkaufte 1942 den Kleinen Tannenwald an das Ehepaar Kredel, dessen Sohn später Mitbesitzer wurde. Familie Kredel bewohnte bis in die 50er Jahre die ehemalige Meierei.

Die Kastanienallee ist der Haupteingang zur Kreuzallee. Bei diesem Eingang soll es sich um den einzigen Zugang gehandelt haben. Reste der Laubengänge waren noch sichtbar, die chinesische Brücke zur Insel, wurde in den 60er Jahren wurde wegen Baufälligkeit entfernt. Seitdem gab es keinen Zugang zur Insel mehr.

Der unterirdische Wasserzufluß des künstlich angelegten Teiches, nach R. Michel eine Abzweigung des unterhalb des Platzenbergs verlaufenden Dornbachs, versiegte durch die Flurbereinigungs-maßnahmen der 60er Jahre. Der Zulauf erfolgte mittels eines Tonrohres, welches früher Tag und Nacht Wasser führte, heute jedoch nur noch nach starken Regenfällen funktioniert. Aus diesem Grund war  der Teich in den Sommermonaten völlig ausgetrocknet. Hierbei ließ sich feststellen, dass der Boden des Teichs mit einer dicken grauen Tonschicht abgedichtet war. Seit 1985 war der Teich infolge der hohen Niederschlagsmengen oft mit Wasser gefüllt.

Die historischen Strukturen des Kleinen Tannenwaldes sind kaum noch auffindbar. Lediglich einige prägende Elemente, wie Teich, Insel, Eiskeller und die erst im 19. Jahrhundert erbauten Meiereigebäude geben Hinweise auf die frühere Identität dieser Anlage.